Armenien

Dem Elend etwas entgegensetzen

Hoffnung trotz Hunger, Einsamkeit und Armut: Den Menschen in Nordarmenien helfen ihr Glaube und die Unterstützung von Hoffnungszeichen.
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Die 82-jährige Torvayan Schochik fürchtet sich vor den verbleibenden Winterwochen. Noch hat sie ein wenig Reisig zum Heizen, doch der Topf auf dem kleinen Ofen bleibt meist leer.
Die 82-jährige Torvayan Schochik fürchtet sich vor den verbleibenden Winterwochen. Noch hat sie ein wenig Reisig zum Heizen, doch der Topf auf dem kleinen Ofen bleibt meist leer.

„Ohne den Glauben an Gott wäre ich nicht am Leben geblieben.“ Mit diesen Worten empfängt uns die 82-jährige Torvayan Schochik in ihrem Zuhause im nordarmenischen Dorf Dschadschur. Sie lebt in einem alten Baucontainer, seitdem ihr Haus beim großen Erdbeben 1988 völlig zerstört wurde. Ihr Zuhause, das ist ein einzelner Raum mit einem Bett, einem kleinen Ofen und einem Sessel. Drinnen ist es dunkel und feuchtkalt während draußen – unerwartet für Ende Oktober als wir sie besuchen – der erste Schnee fällt. „Es tut mir leid, dass Sie im Dunkeln sitzen müssen, aber der Strom wurde mir abgestellt, nachdem ich die Rechnungen nicht mehr zahlen konnte“, erzählt uns die alte Frau beschämt. Ihre Rente beträgt weniger als 60 Euro im Monat, davon kann man auch in Nordarmenien nicht leben.

Verzweifelt und vereinsamt

An den Wänden hängen bunte Basteleien. „Die haben mir meine Enkel geschenkt, bevor sie nach Russland zogen“, erzählt Torvayan traurig. Und dann schüttet sie uns ihr Herz aus. Sie erzählt von den Söhnen, die „für ein Stück Brot“ nach Russland gingen, weil sie hier keine Arbeit fanden. Seitdem hat sie nichts mehr von ihnen gehört. Torvayan ist ganz alleine, ihr Mann verstarb nach einer schweren Krankheit vor über 20 Jahren. Ihre Lebensgeschichte ist so voller Leid, dass ich diese selbst beim Zuhören nur schwer aushalte, so nahe geht es mir. Wie gerne würde ich die alte Frau in den Arm nehmen und ihr sagen: „Es wird alles wieder gut!“ Doch zu tief sind die Wunden und zu unsicher die Zukunft, als dass man ihr solch ein Versprechen geben könnte. „Ich war immer fleißig, habe schon mit 15 auf dem Feld gearbeitet, ich hatte eine Familie, aber nun habe ich nichts und werde hier alleine sterben“, klagt sie uns ihr Leid. Und dafür sind wir da: Meine Kollegin Saskia Polter und ich wollen zuhören und erfahren, wie es den Menschen hier vor Ort geht. Ihre Schicksale werden wir weitertragen und den Menschen in Nordarmenien so zeigen: Wir haben euch nicht vergessen, wir stehen euch bei.

Leid wohin man schaut

Draußen stürmt und schneit es, im Zimmer zieht es und ich kann nirgendwo Essen entdecken. Die 82-Jährige lebt von der Hand in den Mund. „Meine Nachbarn helfen mir gelegentlich. Sie haben mir ein bisschen Apfelmus gebracht, das habe ich heute gegessen. Und von ihrem im Wald gesammelten Reisig haben sie mir auch etwas abgegeben. Wir helfen uns hier, aber wir haben alle nicht viel“, erzählt die Rentnerin. Sie alle eint am Abend die qualvolle Sorge: Werden wir morgen genug zu essen haben? Diese nackte Angst vor dem Hungern hat sich mir tief ins Gedächtnis eingebrannt. Dazu kommt die Not, wohin man auch blickt: Baufällige Häuser, abgemagerte streunende Katzen und Hunde und verzweifelte Gesichter.

Als wir uns von Torvayan verabschieden, möchte sie uns gar nicht gehen lassen. Doch auf uns warten weitere bedürftige Dorfbewohner, denen wir auch gerecht werden möchten. Zum Abschied sagt sie: „Ich danke Ihnen von Herzen. Richten Sie den Menschen in Deutschland aus: Gott gebe Ihnen ein langes Leben, wir sind sehr dankbar!“ Ich bin beeindruckt von dieser Frau, die trotz ihres schweren Lebens zwar tief traurig, aber nicht verbittert wirkt. „Ohne den Glaube an Gott wäre ich nicht am Leben geblieben“ – rufen sich mir ihre Worte beim Schreiben dieses Reiseberichts ins Gedächtnis. Oft denke ich daran, wie sie und die anderen verarmten Senioren von Dschadschur mit großen Sorgen in ihrer Behausung sitzen. Und ich bin dankbar, dass wir den Menschen in Armenien durch bloßes Zuhören und unsere Hilfspakete Trost schenken können.

Liebe Leserin, lieber Leser, in den kommenden Tagen möchten wir wieder möglichst vielen verarmten Rentnern wie Torvayan Schochik sowie besonders bedürftigen Familien beistehen. Ein Hilfspaket für 60 Euro enthält neben Hygieneartikeln vor allem wichtige Lebensmittel wie Linsen, Tee, Öl und Reis. Herzlichen Dank für Ihren Beistand!

Diese Hilfe in Armenien unterstützen
Bitterer Winter, bittere Not
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