Bergkarabach/ Armenien

Die Heimat verloren

Nach der Eroberung weiter Teile Bergkarabachs durch Aserbaidschan im Herbst 2020 mussten viele Bewohner fliehen. Oft ließen sie alles zurück und konnten nur ihr Leben retten.
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Familie Khachatryan auf der Flucht aus Bergkarabach
Die Enkelkinder der Familie Khachatryan müssen sich nach der Flucht aus Bergkarabach in einem neuen Leben voller Entbehrung zurechtfinden. Susanna (15) und Narek (10) werden ihre alte Heimat wohl kaum wiedersehen.

Krieg zerstörte Leben der Familie Khachatryan

Susanna (15) und Narek (10) erinnern sich in bunten Farben an ihr Zuhause, das sie wohl nie mehr wiedersehen werden: Grüne Wiesen umgaben den kleinen Bauernhof der Familie Khachatryan. In der Nähe plätscherte ein kleiner Fluss. Unter einem großen Baum stand ein Tisch, an dem immer gemeinsam gegessen wurde. Die drei Generationen der Familie lebten von dem, was sie auf ihrem Hof erwirtschaften konnten. Es reichte für ein bescheidenes Auskommen – bis der Krieg dieses Leben zerstörte und den Khachatryans ihre Heimat nahm.

Sonik Khachatryan aus Bergkarabach

Wir hatten große Angst. Als wir geflohen sind, gerieten wir unter Artilleriebeschuss. Wir mussten um unser Leben laufen.

Sonik Khachatryan

Großmutter aus Bergkarabach

Bauernhof von Familie Khachatryan in Bergkarabach
Erinnerung an früher: Der alte, kleine Bauernhof, den Susanna gemalt hat, bot der Drei-Generationen-Familie ein Auskommen. Harte Arbeit sicherte die Ernährung der Familie und schuf eine halbwegs sichere Lebensgrundlage.

Zusammen mit ihrem Mann Anushavan dem Sohn Hovhannes, Schwiegertochter Gohar und den insgesamt drei Enkelkindern konnte die 72-Jährige im Oktober 2020 mit Müh und Not dem kriegerischen Konflikt um Bergkarabach entkommen. Der Preis dafür war hoch: Die Familie verlor ihren gesamten Besitz. In Armenien fanden sie zwar Zuflucht, doch die Khachatryans leben jetzt in Armut und haben jeden Tag Sorgen, wie sie die Enkelkinder satt bekommen können.

Vertrieben vom Krieg

Der Bauernhof, auf dem Sonik Khachatryan und ihr 81-jähriger Mann Anushavan ihr Leben verbrachten, liegt im Dorf Halle in der Provinz Kaschatach. Dieses südwestliche Gebiet von Bergkarabach wurde im Oktober 2020 von der aserbaidschanischen Armee angegriffen und zu großen Teilen erobert. Nach dem Ende des 44-tägigen Krieges kam das Gebiet wieder vollständig unter die Kontrolle Aserbaidschans.

Der Konflikt um Bergkarabach hat eine jahrzehntelange Vorgeschichte mit zahlreichen bewaffneten Auseinandersetzungen. Zuletzt berichteten wir im April dieses Jahres ausführlich. Der jüngste Krieg im Herbst 2020 löste eine große Fluchtwelle aus. Die meisten Menschen versuchten, sich nach Armenien zu retten. Viele Tausende ließen alles zurück. „Unser Dorf gibt es noch, aber wir wissen nicht, was alles zerstört ist. Wir haben nur noch Kleidung mitgenommen und sind einfach gegangen“, erzählt die Großmutter verbittert. Tiefe Falten hat das Leben ihr ins Gesicht geschrieben.

Die Heimat verloren
Großvater Anushavan Khachatryan (81) sammelt und trocknet Kuhmist, damit die Familie im Winter etwas zum Heizen hat. Es reicht aber längst nicht durch die ganze kalte Jahreszeit. Geld zum Kauf von Heizmaterial fehlt.

20.000 Flüchtlinge in Armenien 

Heute leben noch immer über 20.000 Flüchtlinge verstreut in Armenien. Ihre Situation ist prekär. Oft fehlt es an Einkommen, und entsprechend knapp ist die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Auch an Medikamenten und Hygieneartikeln mangelt es. Die Zukunftsaussichten sind unklar. Die Menschen leben oft in großer Unsicherheit und sind deshalb bedrückt und niedergeschlagen. So auch Sonik Khachatryan: „Wir haben keine Hoffnung, dass wir jemals in unsere Heimat zurückkehren können. Wir haben sie für immer verloren.“ Alle Verkehrsverbindungen zwischen Armenien und Bergkarabach sind seit Monaten vollständig abgeriegelt, mit katastrophalen Auswirkungen auf die Versorgung der Menschen. Familien wurden getrennt, Menschen in Verzweiflung gestürzt.

„Unser Leben in Armenien ist sehr schwer. Wir haben keine Arbeit und kein Geld, um zu heizen. Die Kinder frieren. Unsere kleine Rente muss die ganze Familie ernähren“, berichtet mir Großvater Anushavan Khachatryan bei meinem Besuch im Februar. Er hat mit seinen Liebsten in einem kalten, garagenartigen Gebäude ein Notquartier gefunden. Der winzige Ofen kann kaum für Wärme sorgen: „Heizen tun wir mit getrocknetem Kuhmist, den wir im Sommer auf den Feldern sammeln und in Säcken hierherschleppen“, erzählt Sonik Khachatryan. „Es ist nicht viel, im Winter schüren wir nur morgens den Ofen an und dann noch einmal kurz am Abend.“

Beistand für die Mittellosen

Das Leben in Bergkarabach war für viele Menschen auch schon vor dem Krieg 2020 von Entbehrung geprägt. Hoffnungszeichen leistete jahrelang humanitäre Hilfe für Alte und Gebrechliche, Waisen und kinderreiche Familien, die in großer Armut leben. Aktuell ist der Zugang nach Bergkarabach nicht möglich, aber wir wollen weiterhin Bergkarabach Flüchtlingen in Armenien beistehen, so wie der Familie Khachatryan.

Unsere Hilfspakete mit Mehl, Salz, Nudeln, Speiseöl, Fleischkonserven und auch einer Hygiene-Grundausstattung wie Seife sind ihnen eine große Hilfe. Mit den Nahrungsmitteln kann die Großmutter das Essen für ihre Enkelkinder wesentlich verbessern, denn normalerweise ist es sehr karg: „Am Morgen koche ich Kartoffelbrei. Mittags brate ich Kartoffeln, oder ich koche Nudel- oder Reissuppe. Am Abend essen die Kinder Brot und trinken Tee.“

Mit einer Gabe von 75 Euro ermöglichen Sie ein Hilfspaket für eine Familie wie die Khachatryans. Das Paket beinhaltet Reis, Nudeln, Konserven, Öl und Schmalz, Mehl, Milch, Hygieneprodukte, Tee, Gebäck, Zucker und Salz. Bis zu vier Wochen nimmt es die größte Sorge um das Essen. Natürlich hilft auch jeder andere Betrag den Geflüchteten in ihrer schweren Lage. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

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